Jasmin, einzige Tochter eines reichen Verlegers, hat die Schule absolviert und verlässt mit achtzehn Jahren das Internat, um von nun an ihr Leben selbst in den Griff zu nehmen. Stoff genug für einen Konflickt mit ihren Eltern.
Sie denkt sehr viel über sich und das Leben nach, sie fragt sich dabei, ob das, was ihr Vater mit dem Verlag an familiärer Sicherheit und familiärem Reichtum geschaffen hat, etwas ist, was ihr ebensolche Zufriedenheit gewähren kann. Doch sie stellt fest, dass sie nicht von dem Geld ihres Vaters leben möchte. Sie möchte von dem leben können, was sie selbst geschaffen hat. Obwohl ihr Vater versucht, ihr alle Wege zu ebnen, alle Probleme von ihr abzuwenden, ihr ein Praktikum im Verlag anbietet, sie einen Auftrag in Paris erledigen lässt, entscheidet sie sich gegen den Willen ihrer Eltern, insbesondere ihres Vaters. Zweifelsohne hat er vor, Jasmin später einmal in seine Fußstapfen als Leiterin des Verlages treten zu lassen. Sie lässt ihn aber abblitzen, will sich selbst ausprobieren, will lernen, wie das ist, wenn man den ganzen Tag arbeiten muss und abends todmüde nach Hause kommt. Sie will ihr eigenes Leben führen, zumindest zunächst, denn sie schließt nicht aus, irgendwann einmal wieder unter die Fittiche ihres Vaters zu kriechen. Um sich aber selbst dafür entscheiden zu können, muss sie die andere Seite des Lebens zunächst kennen lernen. Also stürzt sie sich in das Leben. Sie entscheidet sich für ein Studium der Germanistik, weil sie darin verschiedene Möglichkeiten sieht, später einen Beruf auszuüben. Neben dem Studium beginnt sie in einem Restaurant zu kellnern und stellt fest, dass sie sich davon eine kleine Wohnung leisten und den bescheidenen Lebensunterhalt bestreiten kann. Bei all ihren Schritten wird sie von einem Freund begleitet, der von ihren Eltern komplett ignoriert wird. Über ihre Kellnerei und selbst ihr Studium rümpft ihr Vater nur die Nase. Mit einem Auftrag für Paris versucht er, seine Tochter wieder näher an sich zu ziehen. Er stellt einen Mann im Verlag ein, der als sein engster Assistent tätig wird, und hofft, dass Jasmin und sein Verteter einmal ein Paar werden würden. Obwohl Jasmin einige Male mit ihm ausgeht und sich sehr gut mit ihm anfreundet gibt sie ihm dennoch deutlich zu verstehen, dass aus ihrer Freundschaft keinesfalls mehr werden könne, denn schließlich wäre er von ihrem Vater ausgesucht. Dafür lernt Jasmin Jean kennen, der bald nicht mehr von ihrer Seite weicht. Auch er wird von ihren Eltern ignoriert. Er steht loyal zu ihr, aus Freundschaft wird Liebe. Nach vier Semestern Studium bricht Jasmin dieses ab, um nicht nur nebenbei, sondern Vollzeit arbeiten zu können. Aus ihrer Tätigkeit als Kellnerin heraus gewinnt sie einen engen Freundeskreis. Sie möchte mehr erreichen und mehr ausprobieren und beschließt, mit ihren Freundinnen und Freunden ein Literaturcafé aufzubauen. Jean hält fest zu ihr und unterstützt sie in ihrem Vorhaben. Jasmin denkt weit vorraus, wünscht sich eine Heirat mit Jean und Kinder, die nicht so aufwachsen sollen, wie sie aufgewachsen ist.
Dieser Roman, der in das Leben und die Gedankenwelt einer jungen Frau von der Zeit des Schulabschlusses bis kurz nach der Geburt des ersten Kindes in einer intakten Familie eintaucht, ist eine mitreißende Charakterstudie. Der Autor zeigt sehr großes psychologisches Einfühlungsvermögen und stellt in überzeugender Weise die Identitätsfindung einer jungen Frau dar. Es zeugt von detailreichem Wissen, was in den Köpfen junger Frauen vor sich geht. Faszinierend sind immer wieder die Schlussfolgerungen, die die Protagonistin aus ihren eigenen Gedanken zieht und die Realitätsnähe zum heutigen Tagesgeschehen. Mit einfachen Worten gelingt es dem Autor, dem Leser die Welt nach dem Schulabschluss vorzustellen, er bringt ihn in die Welt der Cafés, die der Studenten, die der Verlage, selbst ein kleines Stück Pariser Lebensgefühl.
Wünschenswert wäre allerdings, der Leser hätte feste Punkte zum Ausruhen während der Lektüre. Ohne Kapitel und ohne besondere Absatzmarkierungen, z.B. eine Leerzeile zwischen den Absätzen, geht der packende Roman von der ersten bis zur letzen Seite in einem Atemzug durch. Obwohl er sich durchaus in unterschiedliche Kapitel gliedern ließe und eine Absatzmarke angebracht wäre, wenn zwischen zwei aufeinanderfolgenden Absätzen beispielsweise einige Monate ins Land gegangen sind.
Buchtitel und Titelbild mögen verwirren, glaubt man doch, einen Historienroman in Händen zu halten. Bis klar wird, warum dieser Titel gewählt wurde. Schade nur, dass er, abgesehen von der einmaligen Erklärung im Rahmen der Handlung, keine weitere Erwähnung erfährt.
Jedoch trotz aller Kritik ein höchst spannendes und interessantes Buch, welches nicht nur für junge Frauen lesenswert ist.
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Lothar Eichler
Lady Bonaparte
Roman, 274 Seiten, Softcoverausgabe
Centrum Verlag, Bad Schwartau
ISBN: 978-3-86672-983-4
Rezension von:
© Detlef Knut, Düsseldorf 2009
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Dieser Roman lese ich möglichst bald. Die Geschichte hat mich tief beeindruckt.
Hallo! Hab mir das Buch dank deinem Beitrag gekauft. Es war ne wahre Freude es zu lesen.
Das freut mich, wenn das Buch gefällt und die Rezension nicht daneben lag.