Da es die Pax et Gaudium, für die ich geschrieben hatte, nicht mehr gibt, dachte ich mir, meine Eindrücke gelegentlich in diesem Blog zu schildern. Schließlich ist dieser Blog aus meiner damaligen Zeit als Reporter aus dem Mittelalter entstanden.
Voriges Wochenende war Kurzurlaub angesagt. Auf der Liste stand der mittelalterliche Weihnachtsmarkt in Esslingen am Neckar. Übernachtet hatten wir in Stuttgart, in einem ehemaligen Tagungshotel der Telekom (heute: commundo). Preiswert und voll aufgrund vieler Weihnachtsmarkt- und Musicalbesucher. Wobei die meisten Gäste nach Stuttgart fahren, um den Stuttgarter Weihnachtsmarkt zu besuchen (auch super, zumal der Größte in Deutschland budenzahlenmäßig). Der Esslinger scheint nachwievor ein Geheimtipp zu sein.
Die Überraschung ereignete sich am Samstagmorgen. Vorhänge aufgezogen und draußen alles weiß. Das war am Abend zuvor noch nicht. Nach dem Frühstück ging es dann in das etwa 15 km entfernte Esslingen. Kurz nach der Marktöffnung um 11 Uhr trafen wir dort ein. Die Menschen strömten alle nur in eine Richtung: Altstadt mit dem Weihnachtsmarkt. Dieser Weihnachtsmarkt ist zweigeteilt. Zunächst betritt man durch das große Tor den „normalen“ Weihnachtsmarkt mit seinen „normalen“ Weihnachtsbuden. Erst nach dem Durchschreiten des ersten Platzes ist das zweite Tor, dieses Mal ein großes, hölzernes Tor mit zwei Türmen, die über Leitern zu besteigen sind. Um dieses Tor zu durchschreiten, ist ein Wegezoll zu entrichten, mittelalterlich gewandete Lausbuben haben ein strenges Auge auf den Karren mit dem Klingelbeutel. Ab jetzt beginnt, obwohl immer noch weihnachtlich, ein anderer Zeitabschnitt. Gewandete Leute tummeln sich zwischen all den anderen Marktbesuchern, die Handwerker, Händler, Bäcker, Wirte und Brutzler sind alle in ihren Gewandungen anzutreffen.
Die Altstadt mit ihren verwinkelten Gassen und den vielen Fachwerkhäusern bietet immer wieder genügend Platz, auf welchem sich ein oder mehrere Handwerker niederlassen können. Insgesamt sind 180 Stände mit etwa 500 Mitwirkenden in der an sich schon mittelalterlich wirkenden Altstadt untergebracht. Da findet man neben den unendlich vielen Futterbuden für die unterschiedlichsten Geschmacksrichtungen von süß bis sauer, von orientalisch bis rustikal, Brillenmacher, Schönschreyberey, Ledermacher, Kerzenmacher und und und. Eine Wollhexe ward allerdings nicht gesehen. Den Gästen wird die Handwerkerei gezeigt und sie können kräftig mitmachen. Vielen ward das Erstaunen von den Gesichtern abgelesen. Insgesamt sind im Mittelalterteil vier Bühnen auf vier verschiedenen Marktplätzen aufgebaut, auf denen Spielleute, Gaukler und Märchenerzähler das Volk belustigen, wenn sie sich nicht gerade in den Gassen aufhalten. In einer besonderen Ecke des Mittelaltermarktes, dem Zwergenland, werden die jungen Knappen ausgebildet. Dort werden sportliche Wettkämpfe durchgeführt, als da wären: Kegeln, Bogenschießen, Axtwerfen, Messerwerfen, Armbrustschießen, Schleudergeschosse fangen oder Eierknacken. Ein Handriesenrad sorgte für den Spaß bei Kindern (und den Betreibern, die sicherlich keine Thermounterwäsche unter der Gewandung benötigten?). In den Tavernen wird nicht nur Met, wie es im sommerlichen Mittelalter üblich ist, angeboten, sondern es gibt auch mittelalterlichen Glühwein und mittelalterliche Bratäpfel.
Für so manchen Besucher war an diesem 12. Dezember der Höhepunkt dieses besonderen Weihnachtsmarktes: um 21 Uhr gab es ein Akustik-Konzert der keltisch angehauchten Spielleute von FAUN im Münster St. Paul, welches einen angenehmen Ausklang für den außerordentlich schönen Weihnachtsmarkt bildete.