Nina George hat mit »Lavendelzimmer« einen stillen, poetischen, äußerst besinnlichen Roman geschaffen. Einen Roman der leisen Töne.
Worum geht es? Jean Perdu, seines Zeichens Buchhändler in Paris, nennt seinen Buchladen, der auf einem Flussschiff eingerichtet ist, „Literarische Apotheke“. Perdu hat nämlich eine besondere Gabe: Er vermag auf den ersten Blick zu erkennen, welches Buch zu einem Kunden mit dessen persönlicher Gemütslage am besten passt. Deshalb verkauft er für sein Verständnis keine Bücher, sondern er empfiehlt die Bücher als Medizin gegen den jeweiligen Gemütsschmerz des Kunden. Oft handelt es sich immer um eine besondere Form des Herzschmerzes.
Bücher als Medizin
Anders ausgedrückt: Er empfiehlt ein Buch als Medizin für das Leben. Doch Perdu ist einsam. Vor 21 Jahren hat ihn seine große Liebe verlassen. Ohne ein Wort. Die Erinnerung an seine Geliebte Manon hat es ihm in all den Jahren verboten, je wieder an eine andere Frau zu denken. Da taucht plötzlich ein Brief seiner Liebe auf. Er hatte von diesem Brief gewusst. Der Brief war bereits vor 21 Jahren abgeschickt worden. Damals hatte er ihn auch erhalten, aber er wollte ihn zu der Zeit nicht lesen, weil er ganz tiefen Schmerz verspürte. Also verbannte er ihn in die hinterste Ecke seiner literarischen Apotheke.
eine literarische Apotheke
Doch als ihm der Brief jetzt wieder in die Hände fällt, schickt sich die schöne Nachbarin Chaterine an, Perdu dazu zu bewegen, diesen Brief zu lesen. Zaghaft und missmutig beginnt Perdu, doch er liest ihn. Perdu erfährt Erschütterndes und beschließt, noch einige Kapitel in seinem Leben zu Ende zu bringen. Das macht er, indem er mit seinem Buchladen vom Ufer ablegt und sich auf eine Reise in den Süden Frankreichs begibt. Jedoch in letzter Minute springt dabei Max Jordan, ein junger Schriftsteller, der gerade einen Bestseller gelandet hat, auf den Kahn und begleitet Perdu auf seinem Weg. Wie ein väterlicher Freund nimmt der ihn auf. Die Dialoge zwischen dem jungen Schriftsteller und dem alten Buchhändler sind einfach nur köstlich.
Wenn der Roman auch in vielerlei Hinsicht ein traurig schöner Liebesroman ist, lässt er trotzdem nicht den Humor vermissen. Über weite Strecken sind es die Aufeinandertreffen zwischen dem Buchhändler Jean Perdu und dem Schriftsteller Max Jordan, die dem Leser ein ständiges Lächeln auf sein Gesicht zaubern. Ein Lächeln, das er nur vergeblich unterdrücken kann. Aber auch weitere Reisende, die sich auf dem Weg in den Süden anschließen, tragen zu der amüsanten Stimmung bei.
Die Wortgewandheit von Nina George
Die Wortgewandtheit der Autorin spricht alle Sinne des Lesers an. Er kann sich kaum dem Drang entziehen, selbst auf die Tanzfläche zu gehen und einen argentinischen Tango zu tanzen, als über mehrere Seiten die Begegnung des Protagonisten mit einer Tangotänzerin in einem heimlichen Club für Tangotänzer geschildert wird. All die Wollust, all die Leidenschaft, die aus den Tänzen spricht, setzt sich beim Leser im Kopf fort. Ein Beispiel gefällig? »Er ist klein, dick und, objektiv gesehen, nicht in der ersten Reihe der Männer, die auf ein Wandposter gehören. Aber er ist klug, stark und kann wahrscheinlich alles, was wichtig ist für ein liebevolles Leben. Er ist für mich der allerschönste Mann, den ich je küssen werde.«
Die Autorin schafft es hervorragend, das französische Flair wiederzugeben. Viele Örtlichkeiten in Paris, all die vielen Straßen und Gassen, die Nachbarn im Haus Rue Montagnard Nummer 27, die Concierge, alles scheint so vertraut. Dafür kann es nur die höchste Wertung geben.
Nina George Das Lavendelzimmer Knaur, München ISBN 9783426652688 Website der Autorin: http://www.ninageorge.de/ |
© Detlef Knut, Düsseldorf 2013
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