Exkommissar Vitus Pangratz, gerade im Wildpark Blindham bei Rosenheim auf der Pirsch zu neuen Fotos für seinen geplanten Fotokalender „Die Wildsau bei Nacht“, stolpert buchstäblich über eine menschliche Hand, an der der Rest fehlt. Wie sich rausstellt, die Hand von Fahrlehrer und Jugendfußballtrainer Marius Wild genannt Tiger, der, als er noch lebte, keinem One-Night-Stand und keiner Affäre abgeneigt war. Zusammen mit seiner Tochter der Lokalreporterin Johanna „Jo“ Coleman, die ihrem Namen erst auf den zweiten Blick alle Ehre macht, beginnt Vitus mit den Ermittlungen und ist seinem unsympathischen Nachfolger Polizeihauptkommissar Harald Hopfinger immer einen kleinen Schritt voraus. Auch dank seiner ehemaligen Sekretärin Liesel, die ihn immer wieder mit Insiderinfos versorgt.
Ex-Kommissar, Elvis Fan, Bayern München-Verehrer und Gscheithaferl Vitus Pangratz, immer mit der perfekten Welle auf dem Kopf, war mir von Anfang an sehr sympathisch. Einerseits sensibel, einsam und neuerdings schwer verliebt, andererseits zu jeder Gelegenheit einen Elvissong oder einen derben Spruch auf den Lippen. Besonders gefallen hat mir der hier: „I gang so gern auf´d Kampenwand, wann I mit meiner Wampn kannt“ – köstlich.
Ich mochte auch seine Tochter Jo sofort, die sich von ihrem Lokalzeitungschef so einiges anhören muss. Aber die Selbstständigkeit gibt ihr neues Selbstvertrauen. Nun kämpft sie nur noch mit einem Dämon, ihrem Exmann Jack.
Auch die anderen Mitwirkenden, zumeist aus der Jugendfußballszene, kann ich mir dank der farbigen und detaillierten Beschreibung der Autorin gut vorstellen. Alle haben ihre Ecken und Kanten und streben oft nach Höherem – die Eltern, vor allem die Mütter, oft mehr wie die kleinen Fußballer selbst.
Auch in Rosenheim glaube ich mich nach der Lektüre schon sehr gut auszukennen. Straßen, Plätze, Gebäude und andere Örtlichkeiten sind mir dank der lebendigen Beschreibungen sofort in den Kopf gestiegen. In die Geschichte eingebettete kleine Anekdoten bekannter und berühmter Rosenheimer Söhne und Töchter lockern den Mordfall etwas auf. Demnächst werde ich mal auf den Spuren von Vitus Pangratz wandeln und mir alles anschauen. Rosenheim ist bestimmt einen Ausflug wert.
Schnell wechselnde Lokalitäten lassen ein gehöriges Tempo aufkommen. Kurze Kapitel erhöhen dieses Tempo noch. Die 477 Seiten sind mir nur so durch die Finger geflogen. Zwar bedient die Geschichte viele Klischees, die Bayern zugerechnet werden, aber immer mit einem zwinkern Auge, sodass ich es als eine liebevolle Homage empfinde.
Gleich auf der ersten Seite hatte ich den Eindruck mit dem Täter konfrontiert zu werden. Aber leider stellte sich das als falsch heraus. Immer wieder kam mir jemand unter, den ich für den Täter hielt, bis sich die Tat dann so ganz anders auflöste. Ich konnte mit rätseln, mitfiebern, war immer mittendrin und doch so weit von der Wahrheit entfernt.
Ein spannender, informativer Rosenheim Krimi, der mich voll überzeugt hat. Er hat alles, was ich mir von einem unterhaltsamen Krimi wünsche: Spannung, wenig Blutvergießen, Humor, eine interessante Geschichte und Protagonisten wie Du und ich. Lesenswert!
Ebenso empfehlenswert ist der nachfolgende Krimi „Liebestöter“ von Alma Bayer.
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