Der Himmel ist bedeckt, es riecht nach Schnee. Das Thermometer außen am Fenster im Arbeitszimmer von Parker zeigt Null Grad. Trotz des großen Fensters dringt nicht besonders viel Licht herein. Robert sitzt bereits an seinem Schreibtisch. Sitzt er schon dort? Oder vielleicht noch?
Joan kommt im Morgenmantel aus ihrer Etage herunter ins Erdgeschoss. Sie hatte gestern ganz vergessen, Robert darüber zu informieren, dass sie beide heute auf einer Gala beim Bürgermeister von Boston erwartet werden. Es wird höchste Zeit, Bob zu informieren, damit er nicht mit der Ausflucht „Hättest Du mir das nicht früher …“ kommen kann. Mit Schwung biegt sie von der breiten Treppe ab ins Arbeitszimmer.
„Guten Morgen, Bob, mein Lieber …“, beginnt sie und bricht aber ab, als sie sieht, dass Bob seinen Kopf auf die Schreibtischplatte gelegt hat. Nanu, denkt sie, ist er eingeschlafen? Mit leichten Schritten, um nicht wie ein Poltergeist zu wirken, tritt sie weiter auf ihren Mann zu.
Inhaltsverzeichnis
Tom Selleck alias Magnum P.I. auf Hawaii
Um mein Kennenlernen des amerikanischen Schriftsteller Robert Brown Parker darzustellen, muss ich etwas ausholen. Denn diesen Schriftsteller lernte ich auf ganz besonderen Umwegen kennen.
Seit der ersten Ausstrahlung der amerikanischen Krimiserie um den Privatdetektiv Thomas Magnum bin ich ein begeisterter Fan seines Darstellers Tom Selleck. Wen wundert es, dass ich seine Aktivitäten auf dem Schirm hatte. Zwar nicht täglich, aber immer mal wieder. Nach einigen Kinofilmen des Schauspielers gab es schließlich eine Filmreihe mit ihm, die ich mir nicht entgehen lassen konnte: Jesse Stone. Die Figur ist ganz anders als die des Thomas Magnum. Die Filme spielen auch nicht auf Hawaii, sind deshalb natürlich nicht bunt flirrend, sondern zeigen schnörkellose Landschaften der Ostküste der USA.
Sie zeigen die Kleinstadt Paradise in Massachusetts nahe Boston. Schnell erfahre ich, dass die Jesse-Stone-Filme auf den Romanen eines gewissen Robert B. Parker beruhen. Dies war mein erstes (virtuelles) Zusammentreffen mit diesem Schriftsteller. Dabei sollte er mir eigentlich kein Unbekannter sein. Schließlich waren bereits andere Romane von ihm zu einer TV-Serie umfunktioniert worden, die Ende der 1970er Jahre ausgestrahlt wurde. Die Romane um den Privatdetektiv Spenser wurden mit dem amerikanischen Schauspieler Robert Urich verfilmt.
Die Spenser-Romane von Robert B. Parker
Ich musste im deutschen Buchmarkt gar nicht lange suchen, um auf Romane von Parker zu stoßen. Die Spenser-Romane wurden auch in Deutschland verlegt. Ich wurde bei meinem geschätzten Kollegen Günther Butkus vom Pendragon Verlag in Bielefeld fündig. Er hatte die deutschen Spenser-Romane aufgelegt und den deutschen Krimiliebhabern zur Verfügung gestellt.
Mir blieb also nichts anderes übrig, bei einem unserer Treffen auf einer Buchmesse einmal nachzufragen, ob und wann denn die Romane um Jesse Stone kommen täten. „Wir arbeiten daran“, hieß es bei Pendragon. Ein Jahr später war es dann so weit. Ich konnte einen ersten auf Deutsch erschienenen Jesse-Stone-Roman in den Händen halten und die Faszination vom Schauspieler Tom Selleck schlug über auf die vom Schriftsteller Robert B. Parker.
Robert B. Parker und seine Romane
Persönlich hat der 1932 in Massachusetts geborene Schriftsteller nicht viel vom Erscheinen seiner Jesse-Stone-Romane in Deutschland mitbekommen. Denn leider war er gerade erst kurz zuvor 2010 verstorben. Parker wird gerne in einer Linie genannt mit solch amerikanischen Schriftstellern wie Dashiell Hammett und Raimond Chandler. Meist steht ein Privatdetektiv im Mittelpunkt seiner Romane, die zu der Gattung der hard-boiled gezählt werden. Was allerdings nicht heißt, dass nicht auch Polizisten im Mittelpunkt stehen können. Denn so ist es bei Jesse Stone, der wegen Alkoholproblemen beim Police Department in Los Angeles gefeuert wurde und sich auf einen Sheriffposten weit weg von Kalifornien in der Kleinstadt Paradise in Massachusetts bewarb.
Dass Parker in seinen meisten Romanen bzw. Reihen auf Privatdetektive als Protagonisten zurückgreift, ist sicherlich dem Umstand geschuldet, dass er in seiner Dissertation zum Doktor der Literatur dieses Genre als Thema gewählt hatte. Mehr hierüber gibt es an anderer Stelle in diesem Beitrag zu lesen.
Wie so viele Schriftsteller beschreibt auch Parker gerne die Örtlichkeiten in seinen Romanen, die er am besten kennt. Man darf nicht vergessen, dass es zu seiner Zeit noch kein Google Maps gab. So wundert es nicht, dass sowohl sein Privatdetektiv Spenser als auch Polizist Stone in Massachusetts ermitteln. Ersterer in der Großstadt Boston, zweiterer in einer Kleinstadt nahe Boston. Aber auch sein Privatermittler Sunny Randall schnüffelt an der Ostküste in Boston. Nur in seiner Western-Reihe um die Marshalls Virgil Cole und Everett Hitch, von denen der erste Roman „Appaloosa“ ebenfalls verfilmt wurde (mit dem Schauspieler Ed Harris), verlegt er den Schauplatz nach Idaho.
Boston als Mittelpunkt
Mit dem örtlichen Mittelpunkt seiner Romane rund um Boston lässt sich Parker auf eine Besonderheit ein, die sich nicht jeder Schriftsteller traut.
Wie aus TV-Serien bekannt, baut er Crossovers in seinen Romanen ein. In „Blue Screen“ aus der Sunny-Randall-Reihe zum Beispiel trifft die Bostoner Sunny Randall auf den Polizeichef von Paradise, Jesse Stone. Aber auch umgekehrt trifft Jesse Stone auf die Privatdetektivin Sunny, beispielsweise in „Split Image“. Hier sagt Molly, die Assistentin von Chief Stone, ihm eine glänzende Beziehung zu Sunny Randall vorher.
Durch diese Crossovers seiner Figuren hat Parker mit jedem Roman nicht nur einen Schauplatz geschaffen, sondern ein ganzes Universum. Zweifelsohne kann man jeden Roman losgelöst von allen anderen lesen. Aber wenn dann doch ein weiterer Roman gelesen wird und es tauchen Figuren aus einer anderen Romanreihe von Parker auf, wird seine Welt größer und größer. Hiermit schafft Parker die Möglichkeit, die Leser zum Lesen bzw. Kaufen weiterer Romane zu animieren. Ganz in der Tradition von TV-Serien, bei denen aus einer Mutterserie auch weitere Serien hervorgehen. Im Falle von Parker ist das die Serie „Spenser“ mit ihrem Spinn-Off-Ableger „Hawk“.
Die Markhams lebten genau am Scheitelpunkt einer kreisförmigen Luxus-Siedlung. Die Einfahrt ging von der Hauptstraße ab, die das Zentrum von Concord mit der Umgehungstraße verband. Sunny hatte ihren Wagen auf der Hauptstraße geparkt, etwa 50 Meter vom Eingang zur Wohnanlage entfernt. Sie saß bereits die zweite Woche hier. Ihr Handy klingelte. Es war Jesse.
„Doppeltes Spiel“, Pendragon, Originaltitel: „Split Image“
„Gott sei Dank“, sagte Sunny. „Mir ist so langweilig, dass ich bald wahnsinnig werde.“
„Was machst du denn?“
„Sitze in meinem Auto und überwache Ms Markham.“
„Die Geschichte lässt dich einfach nicht los“, sagte Jesse.
„Nein“, sagte Sunny. „Ich mache mir Sorgen um das Mädchen.“
Parker und sein Kollege Raymond Chandler
Eine Besonderheit sind die Romane um den Privatdetektiv Philipp Marlow Parkers Schriftstellerkollegen Raymond Chandler. Seine Analysen und Arbeiten über die Wegbereiter des hardboiled Genres führten nicht nur dazu, dass er selbst dieses Genre als Schriftsteller bediente, sondern autorisierte ihn offiziell, Chandlers Figur in eigenen Romanen zu benutzen.
So entstanden zwei Marlow-Romane, wobei „Perchance to dream“ sogar die autorisierte Fortsetzung von „Der tiefe Schlaf“ ist. Diese gelebte Schriftstellerpraxis der Autorisierung wurde nach dem Tode Parkers sogar fortgesetzt. Nun waren es andere Autoren, die berechtigt wurden, Parkers Romane in angemessener Weise fortzuschreiben. So schreiben Robert Knott an der Cole/Hitch-Reihe, Mike Lupica an der Sunny-Randall-Reihe, Ace Atkins an der Spenser-Reihe und Reed Farrel Coleman an der Jesse-Stone-Reihe. Auch diese Romane sind erfolgreich im Markt und nicht zuletzt in Hollywood. Netflix brachte den 2020 erschienenen Blockbuster „Spenser Confidential“ mit Mark Wahlberg als Privatdetektiv auf den Markt. Er basiert auf einen Roman von Ace Atkins und den Figuren Parkers.
Was ist das Besondere an Parkers Romanen, dass seine Reihen von jüngeren Autoren fortgeführt werden? Es sind die Figuren, die sie so besonders machen. Gebrochene Persönlichkeiten, die alle ihr Päckchen mit sich herumschleppen und dennoch liebenswert sind. Ist es beim Polizeichef Stone sein Alkoholproblem, so ist es bei Spenser der Auftragskiller Hawk, der dem Detektiv bei mancher Ermittlung hilft. Parker entwickelt alle seine etwa 70 Romane immer um die Figuren herum. Er war nie ein großer Planer seiner Geschichten. Er formuliere eine Idee in zwei bis drei Sätzen und ließ sodann seine Figuren agieren. Am Ende gab es actionreiche Spannung ohne viel Schnörkel. Manchmal verzichtet Parker sogar auf einen Erzähler, überwiegend läuft ein solcher Roman dann über die wörtliche Rede der agierenden Figuren. Nur winzige erzählerische Sequenzen bilden die Übergänge von einer Szene in eine andere.
Wie Parkers Buchreihen zeigen, ist der Autor stets an einen starken Protagonisten gebunden. Es ist eine Figur, um die er das gesamte Umfeld aufbaut. Diese Figur beginnt aber schnell zu leben und erhält sogenannte Sparringspartner oder Counterparts. Sie sind nicht nur Stichwortgeber oder Konfliktbeschaffer. Diese Nebenfiguren helfen dabei, die Hauptfigur zu charakterisieren. Über die häufig humorvollen Gespräche mit ihnen wird den Lesern die Denkweise und Motivation der Hauptfigur präsentiert. Lauscht (liest) man einem Gespräch, so weiß man, wie der Protagonist denkt. Die Figuren selbst sind nie ganz abgeschlossen in einem Roman. Wahrscheinlich ging Parker auch deshalb nie die Lust verloren, in einer Romanreihe noch einen weiteren Roman mit der Hauptfigur zu schreiben. Er selbst hat immer wieder neue Seiten an seiner Hauptfigur entdeckt und lässt die Leser an diesen neuen Eigenschaften seiner Figur teilhaben, indem er ihnen eine neue Geschichte präsentiert.
„Mann, Sie sind ein eiskalter Hund“, sagte Crow. (ein Apache und Killer. die Red.)
„Der Killer kehrt zurück“, Pendragon, Originaltitel: „Stranger in Paradise“
„Eine Tatsache, die Sie besser nicht vergessen sollten“, sagte Jesse.
„Wie kommt es, dass Sie sich überhaupt auf diesen ganzen Zirkus einlassen?“
„Das Mädchen ist am Arsch“, sagte Jesse, „ihr Vater hat die Hände bei der Mafia im Spiel …“
„Er ist die Mafia in Süd-Florida“, sagte Crow.
„… und ihre Mutter ist Alkoholikerin“, sagte Jesse. „Das Mädchen braucht Hilfe. Und Sie sehen fast so aus, als würden Sie uns dabei helfen wollen.“
Crow nickte. „Okay“, sagte er.
„Um eines klarzustellen“, sagte Jesse. „Ich trau Ihnen nicht über den Weg.“
„Sonst wären Sie auch ganz schön blöd“, sagte Crow.
„Und ich glaube auch nicht, dass Sie etwas aus reinem Mitgefühl für die Francisco-Frauen tun.“
Crow zuckte mit den Schultern.
„Was Sie glauben, ist mir ziemlich schnurz“, sagte Crow. „Verlassen können Sie sich aber trotzdem auf mich: Ich halte grundsätzlich mein Wort.“
Jesse nickte.
„Und Sie halten Ihres“, sagte Crow.
„Sind Sie felsenfest davon überzeugt?“
„Ich kenne Sie, Stone – so wie Sie mich kennen. Wir haben beide zu lange der gleichen Musik zugehört.“
„Und kennen wir auch die gleichen Texte?“
„Zumindest all die, die von Bedeutung sind.“
Die Disziplin eines Schriftstellers
Wie jeder Schriftsteller war Parker sehr stark diszipliniert. Er zwang sich dazu, täglich fünf Seiten zu schreiben. Nur so war er sich sicher, eine Geschichte von vorne bis hinten erzählen zu können. Mit der Zeit wurde er routinierter und er schrieb in späteren Jahren sogar zehn Seiten pro Tag. Das Ergebnis ist die sehr große Anzahl Romane. Aber das ist nicht alles, was er schrieb. Die Filme und Fernsehserien, die auf seinen Romanen basieren, erforderten manchmal ebenfalls seine Mitarbeit. So gibt es beispielsweise die Serie „Hawk“ um den Auftragskiller aus der Spenser-Reihe, für die Parker mehrere Episoden-Drehbücher schrieb.
Es gibt immer zwei Arten, einen Roman zu schreiben. Während viele Autoren ihre Romane plotten und konstruieren, bevor sie mit dem „Fleisch“ beginnen, setzen andere sofort auf das „Fleisch“ und starten los. Ich persönlich gehe davon aus, dass die Autoren der zweiten Gruppe eher unbewusst im Kopf plotten und dies nicht aufschreiben müssen. Zu dieser Gruppe gehörte Parker. Er startete jeden seiner 70 Romane mit einer Idee. Er setzte sich an seinen Schreibtisch und begann zu schreiben in der Hoffnung, dass er auch zu einem zweiten und dritten Kapitel kommen würde, wie er 2005 in einem Interview im Bostonia magazine äußerte.
Vom Industrie- und Werbetexter zum Schriftsteller
Der in Springfield geborene Schriftsteller stammt aus einer klassischen Arbeiterfamilie. Er schaffte einen B.A.-Abschluss (Bachelor of Arts) an einem College im Bundestaat Maine. Anschließend diente er für zwei Jahre in der Army. Diesen Dienst absolvierte er keineswegs nur in den USA, er zog in den Korea-Krieg. Von dort kehrte er im Alter von fünfundzwanzig Jahren in seine Heimat zurück, wo er alsbald den Magister für literarische Künste (M.A.) an der Bostoner Universität erwarb. Um Geld zu verdienen nutzte er sein Wissen um Textgestaltung und verdingte sich in den Jahren 1957 bis 1962 als technischer Texter und vor allem als Werbetexter in der Werbeindustrie. Broschüren und Anzeigen waren für ihn Brot und Butter zu dieser Zeit.
Doch sein Drang nach Fortbildung verließ ihn nicht. Er startete 1962 eine sechzehn Jahre langanhaltende Ausbildung. Sie zeigte Ergebnisse. Denn 1971 erlangte er den Titel eines Doktors der Philosophie mit Schwerpunkt Literatur. Diese Promotion erarbeitete er ebenfalls an der Universität Boston. Die Dissertation dafür trug den Titel „The Violent Hero, Wilderness Heritage and Urban Reality: A Study of the Private Eye in the Novels of Dashiell Hammett, Raymond Chandler, and Ross Macdonald.“ (Der gewalttätige Held, das wilde Erbgut und die urbane, städtische Realität: Eine Studie über die privaten Sichten in den Romanen von Dashiell Hammett, Raymond Chandler und Ross Macdonald.). Wen wundert es, dass Robert B. Parker selbst mit Hammett und Chandler verglichen wird, wo er diese Schriftsteller doch nur allzu genau kennt, weil er sie studiert hat.
Der lange Weg zum Schriftsteller
Parker war fast Vierzig als er an seiner Dissertation für den Doktortitel schrieb. Seine Arbeit daran erstreckte sich über ein ganzes Jahr, wobei der tatsächliche Schreibprozess lediglich zwei Wochen beanspruchte. „Ich weiß, es gibt Leute, die arbeiten Jahrzehnte an ihren Thesen“, sagte Parker dem Bostonia in einem Interview 2007, „aber ich kann Besseres mit meiner Zeit anfangen. Und ich weiß ja, dass ich in einem zweiten Entwurf keine besseren Ergebnisse erziele. Also erspare ich mir eine Überarbeitung.“
1976 war es dann so weit. Er wurde an „seiner“ Universität, der Northeastern Univerity of Boston, zum Professor berufen. Aber nach nur drei Jahren im Alter von 47 Jahren zog er sich von seiner Professur zurück, kehrte der Universität den Rücken, um sich ganz und gar der Schriftstellerei zuzuwenden. Denn zu diesem Zeitpunkt hatte er bereits fünf Spenser-Romane erfolgreich auf den Markt gebracht.
Und mit seinem vierten Roman „Promised Land“ (in deutscher Übersetzung als „Beute für Profis“ bei Pendragon erschienen), erreichte er 1976 den Olymp der Mystery Writers of America, der Vereinigung amerikanischer Kriminalschriftsteller. Er wurde mit dem Edgar-Allen-Poe-Preis geehrt.
Robert B. Parker und seine Familie
Bereits früh, noch vor seiner Schriftstellerkarriere lernte Parker seine Frau Joan Hall kennen und beide heirateten 1956. Aus ihrer Ehe gingen die beiden Söhne Daniel und David hervor. Daniel wurde Schauspieler, spielte in Folgen von „Spenser“ und „Emergency Room“, aber auch in dem Western „Appaloosa“ mit, während David Tänzer und Choreograf in seiner eigenen Tanzschule wurde. Doch in der Ehe knirschte es. Es kam 1982 zu einer Trennung, die wohl aber auf freundlicher Gegenseitigkeit beruhte, denn beide fanden zwei Jahre später jedenfalls zu einer kollegialen Symbiose zusammen. 1982 war ihr gemeinsames Leben zu Ende, weil sich ihre Wege offenbar zu weit auseinander bewegten. Sie war ein soziales und gesellschaftliches Wesen, er hingegen ein eingeschworener Einzelgänger. Doch einen harten Schnitt wollten beide nicht. So begaben sie sich in Therapie. Das Ergebnis führte in eine Partnerschaft bis zum Tode Roberts.
„1984 haben wir uns in einer liebevollen, monogamen Beziehung wiedervereinigt“, sagte Parker 2001 der New York Times in einer Homestory und verwies mit einem schelmischen Blick auf Joan und ergänzte: „Ihre Sehnsucht nach mir war spürbar.“
Sodann wurde Joan zu einer Figur in seinen Romanen. Dort hieß sie Susan Silverman und war die Freundin des Privatdetektivs Spenser.
„Das ist Humor, der auf Fantasie basiert“, kommentierte Joan in der New York Times.
Parker als Co-Autor von seiner Frau
Parker schrieb zusammen mit seiner Frau, die sich als Joan Hall Parker einen Namen machte, diverse Sachbücher. Darunter auch das sehr persönliche Buch „Three Weeks in Spring“, in welchem Joan ihre persönlichen Erfahrungen mit Brustkrebs schildert, während Robert den Teil dazu beisteuert, wie er mit ihr zusammen diese Zeit meistert, wie sie gemeinsam mit einer solchen Diagnose umgehen. Dieses Buch entstand in den 1970er Jahren, lange bevor die Selbsthilferatgeber ein ganzes Genre im Buchmarkt ausmachten. Es gab vielen Frauen und Familien eine nützliche Stütze.
Neben gemeinsamen Büchern arbeitete Joan daran mit, seine Romane in Serien zu Drehbüchern umzuarbeiten. Daneben gehört Joan zur Hälfte die Pearl Production, die die Sendung „Walking Shadow“ machten.
Während Joan und Robert Parker in ihrer zweiten Ehe, wie sie es nannten, zunächst in zwei getrennten Eigentumswohnungen lebten, sahen sie sich zwar sehr oft aufgrund der gemeinsamen Arbeit. Aber es fehlte beiden etwas. Davon abgesehen, dass die erwachsenen Söhne aus dem Haus waren. 1986 dann fanden sie ein viktorianisches Gebäude mit vierzehn Zimmern, in welchem sie genügend Raum hatten, ihre unterschiedlichen Lebensstile zu verwirklichen und dennoch zusammenzuleben. Hier hatte jeder von beiden seine Arbeitsräume, seine Lebensräume. Wenn Sie mal gemeinsam essen wollten, trafen sie sich in ihrer oder in seiner Küche, oder gar in einer dritten im Erdgeschoss. Doch Joan Parker mochte auch die Treppe, die an der Außenwand hinauf in ihre Etage führte. Sie sagte, dass sie ohne die Möglichkeit eines separaten Eingangs gar nicht in diesem Haus wohnen könnte.
Joan und die Familie
Für die Geselligkeit innerhalb der Familie war laut Robert seine Frau Joan zuständig. Sie hatte sich früh als Spendensammlerin engagiert, sehr viel für AIDS-Betroffene gemacht. Wegen der Homosexualität ihrer beiden Söhne Dan und David waren die Parkers recht früh mit diesen Menschen zusammengekommen. Dadurch hatte sie die gesellschaftlichen Kontakte, bekam Einladungen und schleppte ihn überall hin mit. Ihm reichte eigentlich immer der Schreibtisch.
1998 sorgte Joan Parker für einen erneuten Umbau ihres viktorianischen Hauses. Robert B. Parker war all die Jahre gerne sportlich aktiv. Das war sein Ausgleich für die Tätigkeiten am Schreibtisch. Er tat es mit Laufen und, man höre und staune, mit Gewichtheben. Doch wie so viele Sportarten, sind sie bei mäßiger Ausübung durchaus gesund. Robert jedoch schlug der Sport auf die Knie. Er musste operiert werden. In diesem Zusammenhang ließ Joan das Haus erneut umbauen, um ihrem Mann die Treppen zu ersparen.
Wer Lust hat, noch weitere Entdeckungen amerikanischer Schriftsteller zu machen, sollte sich einmal das Buch „Die Entdeckung Amerikas – Liebeserklärungen an die US-Literatur“ ansehen, in welchem ich einen weiteren Lieblingsautor James Lee Burke vorstelle.
Sowohl Joan als auch Robert Parker waren beide professionelle Geschichtenerzähler. Sie verdienten beide ihr Geld mit dem Schreiben von Geschichten, als Drehbuchautoren und als Schriftsteller. Geschichten waren immer Teil ihres Lebens. Da verwundert es nicht, dass es zu einem ungewöhnlichen Arrangement nach dem Tode Roberts gekommen war. Drei Jahre nach seinem Ableben vereinbarten Joan und die Söhne mit Parkers Verlag die Fortsetzung seiner Romanreihen durch andere Schriftsteller. Sicherlich ging es hierbei auch ums Geldverdienen. Aber die Ehrung des geliebten Mannes und Vaters stand im Mittelpunkt.
Die letzte Schlagzeile für den Bostoner Schriftsteller
Man mag es kaum glauben, aber so etwas gibt es tatsächlich. Im Jahre 2010, dem Jahr, in welchem Parker starb, überflutete die Nachricht von seinem Tod die Bostoner Tageszeitungen und die Literaturmagazine. Die Schlagzeile „Robert B. Parker Dies at Writing Desk“ – Robert B. Parker starb an seinem Schreibtisch. Er war 77 Jahre alt, als ihn am 18. Januar ein Herzinfarkt während der Arbeit ereilte. Alle seine Schriften und Entwürfe hatte er zu diesem Zeitpunkt bereits dem Archiv „seiner“ Universität, der Bostoner Universität, vermacht. Wie sein Lebenslauf zeigt, hatte er eine lange und tiefe Verbindung dieser Wirkungsstätte in seinem Leben. Viele von Parkers Büchern, besonders die nicht-fiktionalen Sachbücher inklusive seiner Dissertation, sind in Antiquariaten ab 40$ bis über 1.000$ verfügbar. Sie stellen für so manchen Liebhaber eine Investition dar.
Literaturverzeichnis
AFG. (kein Datum). Robert B. Parker – Interview. Von The Strand Magazine: https://strandmag.com/the-magazine/interviews/robert-b-parker/ abgerufen
Diesenhouse, S. (2001). AT HOME WITH: JOAN AND ROBERT B. PARKER; A House Divided, Lovingly. The New York Times.
Jahnke, A. (2010). Robert B. Parker Dies at Writing Desk – at Gotlieb Center. Von Bostonia Magazine Web: http://www.bu.edu/bostonia/web/robert-parker/ abgerufen
Kahn, J. P. (1996). A life story with more twists than anything husband Robert Parker could have concocted. Von bullets and beer spenser wiki at fandom.com: https://bit.ly/3qzDR1k abgerufen
Pesonen, P. L. (2008). Robert B(rown) Parker (1932-2010). Von https://archive.ph/20130106174708/http:/www.kirjasto.sci.fi/parker.htm abgerufen
Robert B. Parker – The Dean of American Crime Fiction. (kein Datum). Von https://www.robertbparker.net/ abgerufen
The Mystery World of Robert B. Parker. (kein Datum). Von AbeBooks.co.uk: https://www.abebooks.co.uk/books/robert-b-parker.shtml abgerufen
Bücher von Robert B. Parker:
Bücher von Robert B. Parker bei Pendragon
- Spenser-Reihe (verfilmt mit Robert Urich)
- Beute für Profis
- Bodyguard für Rachel Wallace
- Candy Sloan und die Dunkelmänner
- Das gestohlene Manuskript
- Kevin Bartlett ist verschwunden
- Neun Mörder
- Raues Wetter
- Spenser schützt den Kandidaten
- Spenser und das Finale im Herbst
- Spenser und der Graue Mann
- Wetten gegen den Tod
- Wo steckt April Kyle?
- Jesse Stone Reihe (verfilmt mit Tom Selleck)
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