Es sollte ein so entspannter Tag beim jährlichen Softballspiel zwischen Wärtern und Gefangenen im Hochsicherheitsgefängnis Pronghorn mitten in der Wüste Nevada werden. Doch dann erhält Gefängnisdirektorin Grace Slater einen Anruf, der im ganzen Gefängnis aus den Lautsprechern schallt. Sie soll alle Gefangenen freilassen. Innerhalb eines 4 Minuten Ultimatums. Sonst sterben die zwölf Frauen, acht Männer und vierzehn Kinder, alles Angehörige der Wärter*innen in dem Bus, der nach Schüssen quer zur Straße steht und den man aus den vergitterten Fenstern des Gefängnisses sehen kann. So schnell kann Grace gar nicht reagieren, wie die Wärter die Tore und Schleusen öffnen und 606 Gefangene in die Wüste Nevadas unterwegs sind. Nur Willy Henderson, der für die Ermordung seiner Frau eingesessen ist und in den nächsten Tagen entlassen werden soll, bleibt zurück.
Candice Fox schreibt spannend, brutal, fesselnd und unterhaltsam
Marshal Trinity Parker ist schnell vor Ort und koordiniert und leitet den Einsatz. Captain Celine Osbourne, die den Todestrakt leitet, will sofort hinter John Kradle her, der behauptet an der Ermordung seiner Ehefrau Christine, seines Sohnes Mason und seiner Schwägerin Audrey unschuldig zu sein. Wird er in Freiheit seine Unschuld beweisen können?
Boah, was für ein Thriller!
Hier lerne ich einen großen Teil des Abschaums, der sich in Pronghorn tummelt, kennen. Ob es um den Neonazi und Terrorist Burke David Schmitz geht, der schon ein weiteres Massaker plant. Um Raimond Ackermann „Old Axe“, 77, der seit 42 Jahren hinter den verschiedensten Gittern sitzt. Um den Terroristen Abdul Hamsi oder Homer Carrington, der durch mehrere Morde in verschiedenen Staaten unter dem Namen „der Würger von North Nevada“ bekannt wurde. Oder eben um John Kradle, der hier seine Chance sieht, seine Unschuld nach den vielen Jahren doch noch zu beweisen. Die meisten sind unsympathische, brutale und gewalttätige Typen, die mich aber doch irgendwie fasziniert haben (musste ihnen ja auch nicht gegenüber stehen). Die meisten der „Entlassenen“ können innerhalb weniger Tage auf dem Weg nach Las Vegas in der Wüse wieder eingefangen werden. Aber einige haben es doch fast geschafft und Marshal Parker, Grace Slater, Captain Celine Osbourne und ihr (Ex-)Partner Walter Keeper „4KEEPZ“, das Chamäleon, die neben den vielen Polizisten ebenfalls auf Verbrecherjagd gehen, machen ihren Job, wie ich finde, richtig gut. Wenn auch nicht immer korrekt oder auf legalem Weg.
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In Rückblicken ab dem Jahr 1999 tauche ich immer wieder ein in die Geschehnisse rund um John Kradle aus dieser Zeit, der sich mit der Zeit meine Sympathien doch noch erschlichen hat und den ich gerade zum Schluss der Geschichte fast bewundere. Warum? Das solltet ihr beim Lesen selbst heraus finden.
Candice Fox hat einen so fesselnden und atemberaubenden Schreib- und Erzählstil, der mir kaum die Gelegenheit gegeben hat, das Buch aus der Hand zu legen. Sie schafft es, dass ich den Gestank nach Verzweiflung und Tod, nach Tabak und dem Qualm eines Lötkolbens im Gefängnis beim Lesen in der Nase habe. Sie pflanzt mir aber auch grausame Bilder in den Kopf, die ich schnell wieder loswerden wollte.
Alles in allem keine leichte Kost, aber für mich und alle die Thriller lieben wunderbar spannende Unterhaltung der etwas härteren Art. Wenn auch an manchen Stellen etwas unrealistisch, genau richtig für die kommenden kalten Dezembertage und -abende. Ich empfehle das Buch gerne weiter.
Candice Fox
606
Aus dem Englischen von Andrea O´Brien
Suhrkamp Verlag
ISBN 9783518471821
Rezension von
© Gaby Hochrainer, München 2021
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