Der Kriminalroman »Bobby Z« von Don Winslow erschien erstmalig 1997. Inzwischen ist der Thrillerautor megabekannt. Er ist ein Experte für die Drogenkartelle in den USA und ihren Nachbarstaaten. In diesem für ihn relativ kleinen Roman zeichnet sich diese Entwicklung bereits ab. Und nebenbei: Er ist ein erbitterter Gegner von Donald Trump.
Bobby Z – das Leben und der Tod einer Legende
Tim ist ein Kleinkrimineller. Er hat auch keine Ambitionen, irgendetwas anderes sein zu wollen. Er schlägt sich so durch. Doch dann tötet er hinter Gittern ein Mitglied der Hells Angels. Nicht gut. Das Gefängnis wimmelt voller Mitglieder dieser Bikergang. Tim hat sich sozusagen das Todesurteil selbst besorgt.
Doch es kommt Hilfe. Die Drogenfahnder vom DEA bieten Tim einen Deal an. Er soll in die Rolle des vor vielen Monaten spurlos verschwundenen legendären Surfers und Drogenschmugglers Bobby Z schlüpfen. Tim bleibt keine andere Wahl, er weiß, dass er damit Undercover für die Bullen wird. Aber er wusste bis dahin noch nicht, dass auch Leute hinter Bobby Z her sind.
Begegnung mit einem Kind
Bereits auf dem ersten Treffen, auf der ersten Party, auf der gekifft und gefeiert wird, bekommt Tim die Info gesteckt, dass er getötet werden soll. Zuvor lernt er den sechsjährigen Jungen Kit kennen, der allein gelassen am Pool mit einem Boot spielt. Tim wundert sich noch, dass man sich hier um das Kind während der Party gar nicht kümmert. („Und all diesen Scheiß sieht der Junge, denkt Tim.“) Der Junge scheint einsam. Tim sagt ihm einfach ein paar nette Worte, dessen Augen glänzen, weil jemand mit ihm spricht.
Als Tim/Bobby Z erfährt, dass jemand auf dem Weg ist, um ihn zu töten, will er fliehen. Doch dann sieht er Kit. Und er weiß, dass es total dumm ist, zusammen mit einem kleinen Kind zu fliehen. Noch dazu durch die Wüste. Doch schließlich denkt er: Scheiß drauf! Und er flieht mit dem Jungen.
Ein „Kinderbuch“ der besonderen Art
Don Winslow hat mit diesem Krimi einen Roman geschaffen, der als Lehrbuch und Quelle in Sachen Drogenkartelle der USA und Südamerika so manchen Autor bestimmt als Sekundär- und Rechercheliteratur dienen könnte. Sein Expertenwissen auf diesem Gebiet ist enorm, was vielleicht auch mit seinem früheren Job als Ermittler zu tun hat.
Ein ganz besonderes Highlight dieses Romans ist die Einbeziehung eines Kindes in ein Actiondrama. Das hat Don Winslow so superb gemacht, wie ich es noch nie in einem Thriller gelesen oder gesehen habe. Die Szenen und die Dialoge mit dem sechsjährigen Kit sind einfach hinreißend. Die Naivität des Kindes, die ja in diesem Alter ganz natürlich ist, und das Wohlwollen, welches der Kleinkriminelle Tim diesem Kind entgegenbringt, sind unfassbar schön zu lesen, zaubern einem ein Lächeln auf die Lippen und manchmal ein Grummeln. (O-Ton meiner Frau: Ist was? – Ich hatte gar nicht gemerkt, dass ich hörbar geschmunzelt hatte.)
Live aus dem Buch
Hier gibt es mal eine winzige Szene mit dem Jungen:
Er steigt auf die Bremse und macht den Motor aus.
»Bobby Z« von Don Winslow in der Übersetzung von Judith Schwaab
„Was …“, fängt das Kind an.
„Sei still, ich will was hören. Motorengeräusche.“
„Warum denn?“
„Halt die Klappe“, schnauzt Tim ihn an. Dann fügt er hinzu: „Ich brauche deine Hilfe. Sei mucksmäuschenstill und achte mal drauf, wie viele verschiedene Geräusche zu hören sind. Kannst du schon zählen?“
„Ich bin sechs“, sagt der Junge leicht genervt.
Aber er hält den Mund und lauscht.
Timm lauscht auch.
…
Zwei, vielleicht drei Enduros, ziemlich nah. Die aber nicht unbedingt versuchen, mich einzuholen. Treiben mich bloß in Richtung Straßenkreuzung. Und hinter den Motorrädern?
Vielleicht der scheiß Humvee.
Na klar doch. Na verdammt klar doch.
„Und?“, fragt er das Kind.
„Klingt nach siebenundachtzig Motoren“, sagt der Junge ernst.
„Ich hab sechsundachtzig gezählt“, sagt Tim, „aber kann sein, dass du recht hast.“
Tim macht wieder den Motor an und tritt aufs Gas.
Es sei nur so viel gesagt: Die Flucht dauert an. Und es gibt sehr viele ähnliche Szenen.
Neben den humorigen Szenen ist der Roman aber natürlich auch sehr spannend, brutal und mit hartem Sex garniert. Er wird zwar vom Verlag als Kriminalroman eingeordnet, hat aber nach meiner Meinung alle Eigenschaften eines Thrillers. Schließlich finden keine besonderen Ermittlungen zur Erfassung eines Täters statt. Die Fronten sind eigentlich von Anfang an klar.
Mir hat dieser Roman sehr viel Spaß gemacht und bestens unterhalten. Ich wünsche ihm noch viele weitere Leser.
Don Winslow
Bobby Z
Aus dem Amerikanischen von Judith Schwaab
Droemer, München
ISBN 9783426308912
Rezension von:
© Detlef Knut, Düsseldorf 2022
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