Die Affäre Alaska Sanders

»Die Affäre Alaska Sanders« von Joël Dicker

»Die Affäre Alaska Sanders« von Joël Dicker ist der Nachfolgeroman von »Die Wahrheit über Harry Quebert«. Es hat viele Jahre gebraucht, bevor sich Joël Dicker dazu aufraffte, eine Fortsetzung zu schreiben. »Die Wahrheit über Harry Quebert« ist ein ganz besonderer Kriminalroman, was ich damals schon geschrieben hatte. Er weicht von so vielen Regeln für Autoren ab und wirkt deshalb umso spannender und fesselnder.

Freitag, 2. April 1999

Als Letzter lebend gesehen hatte sie Lewis Jacob, der Besitzer einer Tankstelle an der Route 21, gegen 19: 30 Uhr, als er seinen Shop neben den Zapfsäulen verließ. Er wollte seine Frau an ihrem Geburtstag zum Essen ausführen.

»Bist du sicher, dass es dir nichts ausmacht, den Laden nachher abzuschließen?«, sagte er zu seiner Angestellten, die hinter der Kasse stand.

»Das mach ich doch gern, Mr Jacob.«

»Danke, Alaska.«

Lewis Jacob ließ den Blick auf der jungen Frau ruhen. Sie war eine Schönheit. Ein Sonnenschein. Und so freundlich! In den sechs Monaten , die sie bei ihm arbeitete, hatte sie sein Leben verändert.

Joël Dicker in »Die Affäre Alaska Sanders«

Der Fall Alaska Sanders und eine ungewöhnliche Konstruktion

Mit »Die Affäre Alaska Sanders« knüpft Joël Dicker an diese ungewöhnliche Konstruktion eines Kriminalromans an. Das ist auch der besondere Stil dieses Schriftstellers. Auf die Figuren des vor einigen Jahren erschienenen Romans zurückzugreifen, ist ein Trick, um alte Leser wieder zurückzugewinnen. Ein hilfreicher Trick, der meiner Meinung nach zu funktionieren scheint.

Die Affäre Alaska Sanders
Die Affäre Alaska Sanders

Der Schriftsteller Marcus Goldmann hatte vor zwei Jahren (2008) den Fall um den Schriftsteller Harry Quebert erfolgreich gelöst. Sein daraus resultierender Krimi war überaus erfolgreich. Sein Verleger liegt ihm heute noch ständig in den Ohren, endlich den nächsten Roman zu schreiben. Doch Markus weiß nicht so recht, wie er starten soll.

Ein Polizist, den Markus aus den Ermittlungen von 2008 kennt, ruft ihn an und bittet ihn um Hilfe, einen elf Jahre alten Fall zu lösen. Irgendetwas stimmt damit nicht, obwohl ein Täter hinter Gittern sitzt. Marcus wäre eine Hilfe, die alten Akten mit neuen Augen zu sichten. Markus lässt sich darauf ein. Im Jahre 2010, der Gegenwart im Roman, ermittelt er in einem Fall von 1999 zusammen mit einem Cop von damals. Sein damaliger Freund Harry Quebert bleibt verschwunden. Bis Markus eigenartige Botschaften von dem erhält.

Aus der Handlung möchte ich nicht mehr erzählen, da jeder weitere Satz zum Spoilern führen kann. Das liegt an der Komplexität der Verwicklungen. Wer wie und wann mit wem verbunden ist, erschließt sich nämlich erst ganz am Ende.

»Die Affäre Alaska Sanders« ist ein Roman über menschliche Beziehungen. Er ist ein Kriminalroman, indem klassisch ermittelt wird. Die Ermittler sind ein Schriftsteller, ein erfahrener Polizist und eine noch relativ junge Polizistin. Aber dieser Krimi ist trotz aller Rätsel und Spekulationsmöglichkeit wahrlich kein Cosy Crime.

Ich würde diesen Roman auch nicht als Thriller bezeichnen, denn als Leser erlebt man nicht die Taten des Täters mit. Sie werden einem nur aus der Sicht anderer Leute, vorrangig dem Schriftsteller Marcus Goldmann, erzählt.

Damit sind wir beim Stil des Romans. Marcus Goldman erzählt uns seine Erlebnisse im Jahr 2010 wie in einem Tagebuch. Die Ermittlungen und die Handlung in 2010 stellen die aktuellen Gegenwart dar und verlaufen in chronologischer Reihenfolge.

Spiel mit den Rückblenden

Das heißt aber nicht, dass Joël Dicker mit all seinen Rückblenden bis nach 1998 zurück kein Chaos und keine Verwirrung schafft. Aus der Erzählung des Protagonisten als Erzähler wird immer wieder in die Vergangenheit gesprungen, um das vergangene Geschehen unabhängig darzustellen. Dafür benutzt Dicker meist den auktorialen Erzähler. Eine solche Rückblende dauert manchmal nur wenige Absätze und kehrt urplötzlich wieder in die Gegenwart 2010 zurück.

Dieses Spiel mit den Rückblenden ist schon deshalb verwirrend, weil es sehr verschiedene Zeiten sind, die sich aber datumsmäßig durchaus überschneiden können, wie zum Beispiel der 30. August 1998 und der 30. August 2010. Zusätzlich versucht Dicker die Leser, die »Harry Quebert« nicht kennen, mit dem Fall aus 2008 bekannt zu machen, damit sie den reibungslosen Anschluss als Folgeroman schaffen können. Als Leser muss man schon viele Seiten hinter sich lassen, um sich in ruhigere Fahrwasser des Romans begeben zu können. Irgendwann hat man sich auch an die Zeitsprünge gewöhnt und weiß, was zu welcher Handlung gehört.

Dass man den Faden nicht verliert, ist auch wieder einem Stilelement des Autors. Es gibt immer wieder Zusammenfassungen zum Stand der Ermittlungen. Das, was man als Leser schon für sich zusammengefasst hat, wird somit nochmals bestätigt. Man erfährt, dass man mit seinen Gedanken und Spekulationen auf der richtigen Spur liegt. Man folgt den Ermittlungen, es ist alles plausibel. Bis irgendwann alles neu gedacht werden muss?

Einerseits hielt ich so manche Zusammenfassung für überflüssig, sie mögen redundant erscheinen. Andererseits kann ich verstehen, dass sie auch so manchem Leser helfen, aus dem stets anders interpretierten Fakten, Indizien und Beweisen den richtigen Weg zu finden.

Mein Fazit ist also sehr durchwachsen.

»Die Affäre Alaska Sanders« ist ein unheimlich spannender Roman, der den Leser einfängt, ihn bis zum Ende zu lesen. Wer den Vorgänger kennt, kann sich auf ebenso verwickelte Geschichte und das Wiedersehen mit allten Bekannten freuen. Das Lesen des Vorgängers ist aber für das Verständnis dieses Romans nicht zwingend notwendig.

»Die Affäre Alaska Sanders« ist wieder ein Roman, der die Geschichte erzählt, wie er selbst entsteht. Damit suggeriert er eine wahre Geschichte und macht diese Geschichte zu einem erfolgreichen Roman. Einfach nur klasse!!!

Joël Dicker
Die Affäre Alaska Sanders
Aus dem Französischen von Michaela Meßner und Amelie Thoma
Piper, München
ISBN 9783492071963

Rezension von:
© Detlef Knut, Düsseldorf 2023
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