Wir sind dieser Staub

„Wir sind dieser Staub“ von Elizabeth Wetmore

Die 14-jährige Gloria Ramírez denkt an einen netten Abend mit einem netten Jungen. Doch es soll so ganz anders kommen. Vergewaltigt und zerschunden, die Füße von Glasscherben und die Hände von Stacheldraht zerschnitten, Gesicht und Arme zerkratzt vom Sand der Wüste, in der es nichts gibt außer Mesquitebäume, Moskito- und Büffelgras, Ölpumpen, Bohrrückstände, Klapperschlangen, Kojoten, Truthahngeier. Sie taumelt auf die Terrasse von der hoch schwangeren Marie Rose Whitehead, die ihr mit einer Waffe in der Hand die Türe öffnet. Ihre Tochter ruft den Krankenwagen und den Sheriff, der den jungen Dale Strickland, der seinen Rausch ausgeschlafen hat und nun heran rast um Gloria mitzunehmen, verhaftet.

Wir sind dieser Staub – ein Debüt, das mich mitgerissen hat

Was dann für Marie Rose Whitehead beginnt, ist ein Spießrutenlauf. Sie wird bedroht und beschimpft. Sie verlässt sogar ihr Farm im Outback und zieht in die Stadt. Und sie ist die Einzige, die im späteren Prozess gegen Dale Strickland aussagt.

Odessa im Westen von Texas ist eine Stadt voller Männer. Männer, die nach Öl bohren, Männer, denen Frauen zu gehorchen haben und zu Willen zu sein. Dagegen lehnt man sich nicht auf. Die jungen Frauen in diesem unwirtlichen Landstrich kennen es nicht anders. Sie werden mit 15 spätestens mit 17 schwanger. Nur wenige schaffen den Absprung und verlassen die Stadt.

Frauen verlieren ihre Männer, wenn sie versuchen, doch noch schnell über einen Bahnübergang zu fahren oder sie im Auto einschlafen; sie sich betrinken und aus Versehen erschießeb; beim Angeln, wenn sie im See ertrinken; wenn sie ein Bullenkalb erschrecken und das ihnen dann vor die Brust tritt; bei einer Schießerei im Motel oder wegen eines Schwefelwasserstofflecks in der Nähe von Gardale. Oder wegen Chrystal oder Medikamenten.

Wie sterben Frauen?

Und wie sterben Frauen? Normalerweise, wenn Männer sie umbringen.

Elizabeth Wetmore zeichnet das Bild von Odessa, einer Stadt in Texas, in den 1970er Jahren. Ich kann mir beim Lesen die ratternden Ölpumpen, den roten staubigen Wüstensand, die endlose Weite und die Langeweile der Menschen hier gut vorstellen. Aber die Arbeit auf den Ölfeldern bietet die einzige Chance auf schnelles, gutes Geld und damit ein besseres Leben.

Die Autorin lässt Gloria, die sich jetzt Glory nennt, Corrine Shepard, deren Mann Potter an Krebs verstorben ist, Ginny Pierce, Suzanne Ledbetter, die sich mit Avon Produkten etwas dazu verdient, die junge Debra Ann und Karla Sibley aus ihrem Leben erzählen.

Es sind Geschichten von einer Machogesellschaft, von Macht- und Hilflosigkeit, von Ungerechtigkeit und hilflosem Ausgeliefertsein, von Unrecht und Unglück, von Sexismus, Rassismus und dem Ausharren in unglücklichen Beziehungen. Aber es gibt auch die Frauen, die sich gegenseitig unterstützen, die aus ihrer hoffnungslosen Lage versuchen das Beste machen.

Elizabeth Wetmore hat einen sehr klaren, deutlichen und lebendigen Erzählstil. Ihre düsteren Bilder prägen sich ein und ich habe bei ihren Schilderungen mehr als einmal schlucken müssen. Sie erzählt eine Geschichte, die aber in all ihrer Düsternis auch kleine helle Flecken der Hoffnung enthält. Und vor allem mit einem Ende, das mir sehr gut gefallen hat.

Elizabeth Wetmore
Wir sind dieser Staub
Aus dem Englischen von Eva Bonné
eichborn
ISBN 9783958132092

Rezension von
© Gaby Hochrainer, München 2022
Der Beitrag enthält Affiliate-Verknüpfungen.
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