Madame Josette oder ein Dorf trumpft auf

Julia Stagg: Madame Josette oder ein Dorf trumpft auf

clip_image002Dieser Roman ist der unmittelbare Nachfolger des ein Jahr zuvor erschienenen Romans „Monsieur Papon oder ein Dorf steht Kopf“ Er beginnt etwa wenige Tage nach der Handlung des ersten Romans. Hautnah kann der Leser den Mikrokosmos in einem Bergdorf in Frankreich erleben. Während im ersten Roman die Einwohner des Dorfes Fogas durch den Zuzug eines englischen Ehepaares, die die Dorfschenke betreiben wollen, erschüttert, so werden die Einwohner in diesem zweiten Roman auf ein neues durcheinandergewirbelt.

Fabian, der Neffe von Josette, die die Inhaberin des kleinen Tante-Emma-Ladens ist, hat in Paris studiert und gearbeitet. Nun kehrt er nach Fogas zurück. Zurück deshalb, weil er als Kind jedes Jahr von seinen Eltern hier hergeschickt wurde, um die Sommerferien zu verbringen. Deshalb ist ihm das Dorfleben nicht sehr nicht unbekannt. Nach all dem Trubel in der Metropole Paris sehnt er sich nach dem Landleben und hat die großartige Idee, seiner Tante beim Betrieb des Tante-Emma-Ladens unter die Arme zu greifen. Diese Idee kommt natürlich nicht von ungefähr, schließlich ist aus den Erbschaftsunterlagen von Jacques, dem verstorbenen Onkel, herauszulesen, dass Fabian die Hälfte des Ladens geerbt hat. Weil sich Josette nicht im komplizierten Erbschaftsrecht auskennt, war sie nie auf den Gedanken gekommen, dass ihr der Laden nicht allein gehörte. Getreu dem Sprichwort „Neue Besen kehren gut“ hat der junge Banker ganz frische und mutige Ideen, den Laden im Dorf wieder in Schwung zu bringen. Selbstverständlich kommt er nicht auf die Idee, irgendjemanden, und schon gar nicht seine Tante, zu fragen, ob sie damit einverstanden sei. Dass er damit alle Vorurteile der Dorfbewohner gegenüber den Großstädten unterstützt, fällt ihm nicht im Traum ein. Parallel dazu erleben wir die Geschichte von Stephanie, die auch vor kurzer Zeit in das Dorf gekommen war mit ihrer Tochter Chloé. Keiner ahnt, dass Stephanie vor ihrem Mann geflüchtet ist, um mit ihrer Tochter den ständigen Wutausbrüchen ihres ewig betrunkenen Ehemanns zu entgehen. Stephanie hatte sich in Fogas bereits ein neues Heim aufgebaut und sich hervorragend in die Dorfgemeinschaft eingearbeitet. Doch Stephanie und Fabian geraten des Öfteren mächtig aneinander. Zwischen den beiden scheint sich eine Mauer des Unglücks aufgerichtet zu haben.

Wie schon im ersten Roman hat sich die englische Schriftstellerin auf einen kleinen Trick zurückgezogen, um die Geschichte mit einem zusätzlichen zwinkernden Auge erzählen zu können: Der Geist von Jacques, dem verstorbenen Inhaber des Tante-Emma-Ladens, lebt noch in diesem Dorfladen. Meist sitzt er auf dem Kaminsims. Doch manchmal starrt er auch aus dem Fenster. Jacques ist eigentlich für alle Dorfbewohner unsichtbar außer für zwei von ihnen. Seine Witwe Josette kann ihn sehen und mit ihm sprechen genauso wie die kleine Chloé, Stephanies Tochter. Dieser Geist gibt oft Anlass zu amüsanten Szenen, wenn sich Fabian beispielsweise wundert, dass seine Tante ständig irgendwelche Selbstgespräche führt. Oder wenn Jacques Stephanie warnen möchte. Dazu schreibt er etwas in den Staub. Aber als Geist kann er nicht mit seinen Fingern im Staub schreiben, sondern er muss pusten. Und das bringt den Geist im wahrsten Sinne des Wortes außer Atem. Aber nicht nur dieser Trick ist es, der das Buch besonders reizvoll macht, sondern auch die stets wechselnde Perspektive, aus der die einzelnen Szenen geschildert werden, ist wunderbar gelungen. Nahezu alle wichtigen Dorfbewohner in dieser Geschichte kommen einmal zu Wort, um aus ihrer Sicht die Dinge zu erzählen. Damit der Leser damit nicht zu sehr überfordert wird, ist in jeder neuen Szene im ersten Absatz jeweils der Name der erzählenden Figur aufgeschrieben. Eine schöne Vorgehensweise, die ich so in anderen Romanen noch nicht entdeckt habe.

Volle Punktzahl für einen wunderschönen Roman, der in Frankreich spielt. Wer den Spielfilm um die „Schtis“ kennt er, kann sich etwa eine Vorstellung von diesem Roman machen, wer den Film der „Schtis“ liebt, der wird auch dieser Roman lieben.

 

Stagg, Julia
Madame Josette oder ein Dorf trumpft auf
Hardcover
Hoffmann und Campe, Hamburg
ISBN 9783455404319

© Detlef Knut, Düsseldorf 2013

Simonetta Greggio: Die Sterne der Provence

Philippe Coimbra hat nur einen einzigen Wunsch nach all dem Stress, der gerade hinter ihm liegt: Er möchte seine Frau in die Arme schließen und schlafen. Wo war er da bloß hineingeraten? Was war in den letzten Tagen passiert? Philippe ist als „Gaspard“ weltbekannt, zumindest in seiner Branche. Er bemüht sich als Gourmetkoch in die Fußstapfen von Boucuse zu treten. Er sollte den Preis seines Lebens, die weltweit höchste Auszeichnung für Köche erhalten. Dafür war er nach New York geflogen, um an der Gala für die Preisverleihung teilzunehmen. Bei der Ankunft im New Yorker Flughafen wird er jedoch gleich ausgebremst. Das kann doch nicht wahr sein, dass die Sicherheitsleute gerade ihn, den Gaspard, genauer unter die Lupe nehmen. Ihm ist nicht bewusst, dass er etwas Verbotenes getan oder im Gepäck hat. Doch sein Reden nützt nichts. Ehe er sich versieht, sitzt er in einem Flieger Economy Class zurück Richtung Paris, obwohl er ein First Class Ticket inklusive Rückflug in den Taschen hat.
Voller Wut und müde von dem langen Hin- und Rückflug freut er sich auf seine Frau. Doch was er dann erlebt macht das Chaos perfekt.

Die Italienerin Greggio hat einen leichten, im Sommer sehr gut lesbaren Roman geschaffen, der beinahe als Kochbuch durchgehen könnte. Greggio, die in Frankreich Artikel über die Gourmetszene schreibt und sich sehr gut in dieser Branche auskennt, hat aus all ihrem Wissen einen amüsante und anmutige Romanze geschaffen. Ging die Karriere des Sternekochs bislang steil nach oben, so wird sie offenbar im New Yorker Flughafen abrupt gestoppt. Gaspard begibt sich auf eine neue, für ihn unbekannte Reise.

Die Küche und das Kochen sind beherrschende Nebensachen in diesem Roman. Mit spürbarem Genuss beschreibt die Autorin Kreationen und Leckereien. Neben der Geschichte um Gaspard erfährt der Leser einiges über die Gepflogenheit der Branche. Mit einem solchen Thema steht Greggio allerdings nicht mehr allein in den Bücherregalen, denn Monsieur Papon oder ein Dorf steht Kopf von Julia Stagg hat ein verdammt ähnliches Setting, ist allerdings um einiges humorvoller. Nichtsdestotrotz gibt es eine sommerliche Leseempfehlung für die Sterne der Provinz.

Greggio, Siminette
Die Sterne der Provence

Limes Verlag, München
ISBN 9783809025313
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© Detlef Knut, Düsseldorf 2016

Klaus Stickelbroeck: schnell erledigt

clip_image002Beinahe hätte ich gesagt: Das wird auch Zeit. Der zu den Krimi-Cops gehörende Klaus Stickelbroeck hat nach vier erfolgreichen Detektivromanen um den Düsseldorfer Privatdetektiv Hartmann nun im KBV-Verlag einen Sammelband seiner vielen Kurzkrimis veröffentlicht. Kurzgeschichten zu perfektionieren scheint eine seiner leichtesten Übungen. Viele von Ihnen sind bereits zuvor in Anthologien unterschiedlichster Verlage veröffentlicht. Doch in dem nun vorgelegten Erzählband sind neben einigen seiner „Klassiker“ viele noch nicht veröffentlichte Geschichten enthalten. Um der Vielfalt Ausdruck zu verleihen, wurde dem Buch der Untertitel „Kurzkrimis mit und ohne Hartmann“ verliehen. Schließlich zeigt sich, dass der Autor nicht nur Hartmann kann. Insgesamt fanden 25 Krimis unterschiedlichster Stile Einzug in das Buch. Die Kürze nund Agbeschlossenheit ist natürlich ideal für immer Zwischendurch.

Spannend und rasant sind die Geschichten in jedem Fall. Doch der oft flappsige, manchmal auch weibliche, Erzähler, der mal in der dritten, mal in der ersten Person über das Geschehen berichtet, versteht sich auf die unterschiedlichsten Varianten des Humors. Spürt man in einer Geschichte den Schalk im Nacken des Autors, so erscheint eine andere Geschichte schon sehr makaber („Hasi soll nicht sterben!“). Lebensrettung ist nicht immer gleich Lebensrettung und hat manchmal handfeste monetäre Gründe („Aussichtslos“). Interessant wird es auch, wenn ein Täter erzählt („Dreckig“), oder jemand gesteht, dass Muttertag nicht sein Ding ist.

Es ist die Vielfalt der knackigen, kurzweiligen Geschichten, die mich an diesem Buch begeistert, die immer wieder wechselnden Blickwinkel, die perfektionierte Pointe in jeder Geschichte. Wird man zu Beginn einer jeden Geschichte sehr schnell in das Setting hineingezogen, anhand amüsanter und ungewöhnlicher Vergleiche und Bilder in den Zustand versetzt, als würde man einen Roman lesen, so wird man am Ende kurz und bündig von einer wundervollen Pointe überrascht. Dafür gebe ich gerne volle Punktzahl.

Klaus Stickelbroeck
Schnell erledigt – Kurzkrimis mit und ohne Hartmann
KBV, Hillesheim
ISBN 9783942446921

© Detlef Knut, Düsseldorf 2013